Zahlungserleichterungen bei einer Geldstrafe i.H.v. 30 Tagessätzen

1. Da die Entscheidung über Zahlungserleichterungen ein eigener Strafzumessungsakt ist, kann ihr Unterbleiben isoliert angefochten werden.

 

2. Auch bei einer geringen Anzahl von Tagessätzen (30 TS) muss der Grundsatz beachtet werden, dass dem Angeklagten das zum Lebensunterhalt Unerlässliche verbleibt.

 

3. Wird die Berufung auf die Herabsetzung einer Geldstrafe beschränkt und erfolgt hierdurch eine erhebliche Milderung der Sanktion, können dem Angeklagten nicht gemäß § 473 Abs. 1 StPO die Kosten einer Berufungsverhandlung auferlegt werden. Dies gilt selbst dann, wenn der Verteidiger keinen konkreten Antrag zur Strafmaßreduzierung gestellt hat.

 

4. Wird die Beschränkung erst nachträglich in der Hauptverhandlung vorgenommen, sind hiervon die Kosten auszunehmen, die bei einer von vornherein erklärten Beschränkung vermeidbar gewesen wären.

 

KG Berlin 4. Straf­senat, Beschluss vom 14.08.2012, Az. (4) 161 Ss 125/12 (159/12), 4 Ws 66/12

 

Tenor

1. Auf die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 16. April 2012 wird der Rechtsfolgenausspruch dahin ergänzt, dass der Angeklagten gestattet wird, die Geldstrafe in monatlichen Teilbeträgen von 50 (fünfzig) Euro, beginnend mit dem auf die Bekanntgabe dieser Entscheidung folgenden Monat, jeweils bis zum 15. eines Monats, zu zahlen. Diese Vergünstigung entfällt, wenn die Angeklagte schuldhaft einen Teilbetrag nicht rechtzeitig bezahlt.

2. Auf die sofortige Beschwerde der Angeklagten wird die Kosten- und Auslagenentscheidung in dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 16. April 2012 dahingehend abgeändert, dass der Landeskasse Berlin die Kosten des Berufungsverfahrens und die der Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen mit Ausnahme derjenigen auferlegt werden, die bei einer sofortigen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch vermeidbar gewesen wären; diese hat die Angeklagte zu tragen.

3. Die Kosten der Revision und die der Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Landeskasse Berlin zur Last mit Ausnahme der Kosten und Auslagen, die bei einer rechtzeitigen Beschränkung des Rechtsmittels nicht angefallen wären. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die der Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Landeskasse Berlin zur Last.

 

Gründe

Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat die Angeklagte wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30,00 Euro verurteilt. Auf die Berufung der Angeklagten, die im Hauptverhandlungstermin wirksam auf das Strafmaß beschränkt worden war, hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts dahingehend geändert, dass die Angeklagte zu einer Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen zu je 20,00 Euro verurteilt worden ist. Zugleich hat es nach § 473 Abs. 1 StPO der Angeklagten die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

1. Die Revision, die sich nach ihrer Beschränkung auf die Sachrüge allein gegen das Unterlassen der Zahlungserleichterung nach § 42 StGB richtet, ist zulässig, weil die Entscheidung über Zahlungserleichterungen grundsätzlich ein eigener Strafzumessungsakt ist, und deshalb ihr Unterbleiben auch isoliert angefochten werden kann (vgl. LK/Häger, StGB 11. Aufl., § 42 Rdn. 21). Sie ist auch begründet.

Angesichts der vom Landgericht festgestellten wirtschaftlichen Verhältnisse der Angeklagten, die als Alleinerziehende mit drei Kindern einschließlich des Anteils für die Miete Arbeitslosengeld II in Höhe von 1047 Euro zuzüglich Elterngeld und Kindergeld bezieht, müssen ihr trotz der geringen Anzahl der Tagessätze zur Durchsetzung des Grundsatzes, dass ihr das zum Lebensunterhalt Unerlässliche verbleiben muss (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 10. Juni 2011 – 1 RVs 96/11 – [bei juris]), Zahlungserleichterungen gewährt werden. Der Senat kann diese zwingend gebotene Entscheidung im Revisionsrechtszug nachholen (vgl. BGHR StGB § 42 Zahlungserleichterungen 1, Bewilligung durch Revisionsgericht; Senat, Beschluss vom 6. März 2007 – [4] 1 Ss 61/07 [45/07] -; jeweils m.w.N.). Er erachtet eine monatliche Ratenzahlung von 50 Euro für angemessen. Die Festsetzung einer geringeren Höhe der einzelnen Raten war nicht geboten; denn Ratenzahlungen dürfen eine Geldstrafe nicht in ihrem Wesen verändern und müssen als ernstes Übel fühlbar bleiben (vgl. Fischer, StGB 59. Aufl., § 42 Rn. 10 m.w.N.).

2. Die gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung gerichtete zulässige sofortige Beschwerde der Angeklagten, mit der sie die vollständige Überbürdung der Kosten der Berufungsinstanz und ihrer dort entstandenen notwendigen Auslagen auf die Landeskasse erstrebt, hat im Wesentlichen ebenfalls Erfolg.

Das Landgericht stützt die angefochtene Entscheidung auf § 473 Abs. 1 StPO, da es zu Unrecht angenommen hat, die Berufung sei nicht erfolgreich gewesen. Die auf die Herabsetzung der Geldstrafe beschränkte Berufung der Angeklagten, mit der es ihr ersichtlich darauf ankam, eine Reduzierung der Geldstrafe zu erreichen, hat jedoch mit der Herabsetzung der Tagessatzanzahl um ein Viertel von 40 auf 30 Tagessätze Erfolg gehabt, so dass nach § 473 Abs. 3 StPO die Staatskasse die notwendigen Auslagen der Angeklagten und auch die (nicht ausdrücklich erwähnten) Kosten des Rechtsmittels (vgl. KG, Beschluss 22. März 2011 – 1 Ws 13/11 – m. w. N.) zu tragen hat. Dass der Verteidiger in der Eingangsinstanz eine Verwarnung mit Strafvorbehalt angestrebt hat, ist unerheblich, denn der Schlussantrag in der Berufungshauptverhandlung, der für die Ermittlung des Anfechtungszieles von Bedeutung ist, war auf die Herabsetzung der Geldstrafe gerichtet. Bei einer objektiven Betrachtung nach Art und Ausmaß der Strafmaßreduzierung hat die Berufung der Angeklagten eine erhebliche Milderung der Sanktion bewirkt, so dass es auch nicht darauf ankam, dass der Verteidiger keinen konkreten Antrag zur Strafmaßreduzierung gestellt hat.

Da die Angeklagte die Beschränkung jedoch erst nachträglich in der Hauptverhandlung vorgenommen hat, hat sie trotz des Rechtsmittelerfolges diejenigen Kosten und notwendigen Auslagen zu tragen, die bei einer von vornherein erklärten Beschränkung vermeidbar gewesen wären (vgl. KG, Beschluss vom 22. März 2011, aaO.).

3. Die Kosten- und Auslagenentscheidung für das Revisionsverfahren beruht auf § 473 Abs. 1, Abs. 3 StPO, da die nachträgliche Beschränkung als Teilrücknahme zu werten ist (vgl. KG, Beschluss vom 22. März 2011 aaO.).

Die Kosten- und Auslagenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.

Keine MPU trotz 1,6 Promille oder mehr?

Nach § 13 Abs. 1 Nr. 2c Fahrerlaubnisverordnung (FeV) muss die Fahrerlaubnisbehörde eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) anordnen, wenn eine Trunkenheitsfahrt mit einer BAK von 1,6 Promille bzw. einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr festgestellt wurde. Bei dieser Entscheidung steht der Fahrerlaubnisbehörde kein Ermessensspielraum zu.

 

Hier stellt sich zunächst die Frage, auf welche Informationen die Fahrerlaubnisbehörde zurückgreifen kann bzw. darf.

 

Zunächst gilt gemäß § 3 Abs. 3 StVO, dass solange gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis ein Strafverfahren anhängig ist, in dem die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB in Betracht kommt, die Fahrerlaubnisbehörde den Sachverhalt, der Gegenstand des Strafverfahrens ist, in einem Entziehungsverfahren nicht berücksichtigen darf. Danach ist die Behörde jedoch dazu befugt. Aufgrund dieser Feststellungen des Gerichts kann die Behörde anordnen, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist.

 

Aus § 3 Abs. 4 StVG geht allerdings hervor, dass nicht zum Nachteil des Straftäters vom Inhalt des Urteils abgewichen werden kann. Wenn also das Gericht den Wegfall der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen bejaht – den Straftäter somit als geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ansieht -, kann die Straßenverkehrsbehörde keine MPU anordnen.

 

Wer zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung

 

1. die erfolgreiche Teilnahme an einer individualpsychologischen Verkehrstherapie zur Rehabilitation alkoholauffälliger Kraftfahrer und

2. Alkohol-Abstinenz

 

nachweisen kann, hat trotz der Verwirklichung des Regelbeispiels des § 69 Abs. 2 Ziffer 2 StGB gute Chancen, das Gericht davon zu überzeugen, dass er zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung nicht mehr als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen ist.

Bewährungsstrafe für Anästhesistin nach dem Tod von „Sexy Cora“

Urteil der Großen Strafkammer des Landgerichts Hamburg, Az. 632 KLs 6/12

 

Die Große Strafkammer des Landgerichts Hamburg hat die Anästhesistin wegen fahrlässiger Tötung von „Sexy Cora“ zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten auf Bewährung verurteilt.

 

Im Rahmen einer Schönheitsoperation war es aufgrund von Sauerstoffmangel zu einem tödlichen Hirnschaden der Patientin Carolin Wosnitza gekommen.

 

Die Anästhesistin hatte nach Auffassung der Kammer fahrlässig im Sinne von § 229 StGB gehandelt, weil sie im Rahmen der Operation nicht für eine ausreichende Beatmung der Patientin gesorgt habe. Die mangelhafte Sauerstoffzufuhr habe die Ärztin nicht rechtzeitig bemerkt, da das akustische Alarmsignal des Überwachungsgerätes ausgeschaltet gewesen sei und die Ärztin die Vitalfunktionen auch nicht auf andere Weise, nämlich durch Blick auf den Überwachungsmonitor, ausreichend überprüft habe.

 

Zugunsten der Anästhesistin hatte die Kammer vor allem gewertet, dass sie als lediglich angestellte Ärztin auf die Organisationsstrukturen im Operationssaal letztlich keinen Einfluss gehabt habe. Ihr habe kein Anästhesieassistent zur Seite gestanden, sie habe sich deshalb nicht uneingeschränkt auf die Überwachung der Vitalfunktionen der Patientin konzentrieren können. Von der Verhängung eines Berufsverbots sah die Kammer ab.

 

Das Urteil ist rechtskräftig.