Keine Sachbeschädigung ohne Vorsatz zum erheblichen Beseitigungsaufwand (Klimaaktivisten „letzte Generation“)
KG Berlin, Beschluss vom 03.11.2023 – 3 ORs 72/23
Kernaussage
Eine strafbarere Sachbeschädigung liegt nicht automatisch vor, nur weil ein Gegenstand verändert oder versetzt wird.
Entscheidend ist, ob er Täter zumindest für möglich hielt, dass die Wiederherstellung einen nicht unerheblichen Aufwand erfordert. Fehlt dieses Bewusstsein, fehlt der Vorsatz- und damit die Strafbarkeit.
Der Fall
Die Angeklagte war Mitglied der Klimaaktivistengruppe „letzte Generation“. Gemeinsam mit anderen entfernte sie vor dem Bundeskanzleramt eine Gehwegplatte und legte sie auf ein angrenzendes Rasenstück.
Nach den Feststellungen machte sie die Angeklagte keine Gedanken darüber, wie aufwendig das Wiedereinsetzen der Gehwegplatte sein würde. Das Amtsgericht verurteilte sie wegen gemeinschaftlicher Sachbeschädigung, das Landgericht bestätigte das Urteil. Begründung des LG: Die Angeklagte habe jedenfalls billigend in Kauf genommen, dass die Wiederherstellung des Gehwegs, egal mit welchem Aufwand, erfolgen muss.
Die Entscheidung
Das Kammergericht hob das Urteil auf. Für eine Sachbeschädigung nach §§ 303, 304 StGB reicht es nicht aus, dass eine Sache verändert wird. Eine Strafbarkeit scheidet aus, wenn die Beseitigung der Beeinträchtigung ohne ins Gewicht fallend Aufwand möglich ist.
Damit Vorsatz vorliegt, muss der Täter zumindest für möglich halten, dass die Wiederherstellung einen erheblichen Aufwand erfordert. Wer sich über diesen Aufwand gar keine Gedanken macht, handelt nicht vorsätzlich (§ 16 StGB).
Das Landgericht hatte selbst festgestellt, dass die angeklagte sich keine Vorstellung vom Beseitigungsaufwand gemacht hatte. Damit fehlte das erforderliche Wissenselement des Vorsatzes. Allein der Wille, die Aktion nicht scheitern zu lassen, ersetzte dieses Bewusstsein nicht. Auch lag der erforderliche Vorsatz nicht „auf der Hand“, da die Einwirkung auf die Sache vergleichsweise gering war und nicht ohne Weiteres von einem erheblichen Wiederherstellungsaufwand ausgegangen werden konnte.
Bedeutung für die Praxis
Der Beschluss stellt klar: Nicht jede Veränderung oder kurzfristige Beeinträchtigung ist automatisch eine Sachbeschädigung. Gerichte müssen konkret feststellen, was der Täter sich über den Aufwand der Wiederherstellung vorgestellt hat. Fehlen solche Feststellungen, ist eine Verurteilung nicht haltbar.
Das Kammergericht zieht eine wichtige Grenze: Strafrecht setzt bewusst und konkrete Vorstellungen voraus, bloße Gleichgültigkeit oder Aktivismus genügt nicht. Gerade bei Protestaktionen oder geringfügigen Eingriffen in fremdes Eigentum ist genau zu prüfen, ob überhaupt Vorsatz vorliegt.
