Verbindungsbeschluss ersetzt keinen Eröffnungsbeschluss
BayObLG, Beschluss vom 04.08.2025 – 203 StRR 276/25
Kernaussage
Eine bloße Verbindungsentscheidung ersetzt nicht den erforderlichen Eröffnungsbeschluss nach § 207 StPO. Das Gericht muss für jede einzelne Anklage ausdrücklich oder eindeutig erkennbar prüfen, ob ein hinreichender Tatverdacht vorliegt.
Fehlt diese Entscheidung, liegt ein Verfahrenshindernis vor.
Der Fall
Gegen den Angeklagten lagen insgesamt drei verschiedene Anklagen vor. Wegen Diebstahls und wegen unerlaubten Herstellens von Cannabis in nicht geringer Menge. Für eine dieser Anklagen (Tat vom 04.03.2024) hatte das Amtsgericht Erlangen bereits einen Eröffnungsbeschluss erlassen. Die beiden anderen Verfahren wurden nur durch Verbindungsbeschlüsse mit dem führenden Verfahren zusammengeführt. Ein eigener Eröffnungsbeschluss für diese hinzuverbundenen Verfahren erfolgte nicht. Trotzdem wurde der Angeklagte in allen verbundenen Fällen verurteilt. Nach erfolgloser Berufung legte er Revision ein.
Die Entscheidung
Das BayObLG hob das Urteil teilweise auf.
Die Verurteilung konnte nur hinsichtlich der Tat Bestand haben, für die ein wirksamer Eröffnungsbeschluss vorlag.
Für die übrigen Taten stellte das Gericht fest: Ohne Eröffnungsbeschluss fehlt eine zwingende Prozessvoraussetzung. Ein Verbindungsbeschluss genügt nicht, auch dann nicht, wenn das Hauptverfahren im führenden Verfahren bereits eröffnet war. Das Gericht muss klar erkennen lassen, dass es jede einzelne Anklage geprüft und den hinreichenden Tatverdacht bejaht hat. Das BayObLG schloss sich dabei der ständigen Rechtsprechung des BGH an. Folge: Für alle nicht eröffneten Verfahren liegt ein Verfahrenshindernis vor. Diese Teile des Verfahrens mussten eingestellt werden (§ 206a StPO).
Warum ist das wichtig?
Der Eröffnungsbeschluss ist die juristische Eintrittskarte für die Hauptverhandlung.
Ohne ihn darf ein Gericht nicht urteilen.
Dieses Urteil macht klar: Eine Verfahrensverbindung ersetzt keine Eröffnungsentscheidung. Jede Anklage braucht entweder einen ausdrücklichen oder einen eindeutig erkennbaren konkludenten Eröffnungsbeschluss. Fehlt er, sind Urteile in diesen Teilen von Amts wegen aufzuheben. Für Beschuldigte bedeutet das:
Ein genauer Blick in die Akte kann gravierende Verfahrensfehler aufdecken, mit der Folge, dass Verfahren eingestellt werden müssen.
Das BayObLG schafft hier wichtige Klarheit für die Praxis:
Gerichte müssen sorgfältig dokumentieren, dass sie die Eröffnungsvoraussetzungen wirklich geprüft haben. Gerade in Fällen mit mehreren Anklagen oder verbundenen Verfahren lohnt sich für die Verteidigung immer eine genaue Analyse der Eröffnungsentscheidungen.
