Wurde ein Führerschein von der Polizei sichergestellt, ist eine Entschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) nicht vor dem Verwaltungsgericht geltend zu machen. Zuständig ist das Amtsgericht am Sitz der Staatsanwaltschaft.
Landgericht Hamburg, Beschluss vom 13. November 2019
615 Qs 89/19
2216 Js 657/19
248a Gs 174/19
In dem Ermittlungsverfahren gegen X, geboren in Kolumbien, Staatsangehörigkeit: spanisch,
Verteidiger:
Rechtsanwalt Matthias Kiunka, Reichenberger Straße 33, 33605 Bielefeld,
wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis
beschließt das Landgericht Hamburg – Große Strafkammer 15 – durch die Vorsitzende Richterin
am Landgericht X, die Richterin am Landegerich X und den Richte X am 13. November 2019:
Auf die sofortige Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts
Hamburg vom 24. September 2019 wird dieser aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Hamburg — Abteilung 248a — zurückverwiesen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit notwendigen Auslagen des Beschuldigten zu tragen.
Gründe:
Der Beschuldigte befuhr als Führer des Lkw mit dem amtlichen Kennzeichen HH-XX am 22. Februar 2019 gegen 15:40 Uhr die Köhlbrandbrücke in Hamburg. In der Finkenwerder Straße auf Höhe der Hausnummer 4 wurde er bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle angehalten und u.a. auf seine Fahrerlaubnis hin überprüft. Der Beschuldigte legte zum Nachweis seiner Fahrerlaubnis seinen EU-Führerschein vor. Auf diesem war auf der Rückseite im Feld 12 der Vermerk „…“ eingetragen. Der Beschuldigte gab an, seit etwa fünf Jahren in Deutschland zu leben. Die kontrollierenden Polizeibeamten belehrten den Beschuldigten daraufhin als Beschuldigten im Strafverfahren, da ein Anfangsverdacht für ein Fahren ohne Fahrerlaubnis vorliege. Aus dem Vermerk in Feld 12 des Führerscheins ergebe sich, dass der EU-Führerschein auf Grundlage eines in Kolumbien erteilten Führerscheins erteilt worden sei, dies stelle keine auf dem Gebiet der Bundesrepublik gültige Fahrerlaubnis dar.
Die Polizeibeamten stellten den Führerschein des Beschuldigten „zwecks Kennzeichnung“ sicher. Im Sicherstellungsverzeichnis wurde „§ 14 SOG“ als Rechtsgrundlage der Maßnahme angegeben. Zur Verhinderung der Weiterfahrt stellten die Polizeibeamten außerdem den Fahrzeugschlüssel sicher, den sie dem Halter des Lkw, dem Zeugen Y, später aushändigten.
Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat mit Verfügung vom 17. Juli 2019 von der weiteren Verfolgung des Beschuldigten abgesehen, weil, so die Staatsanwaltschaft, die Schuld des Beschuldigten als gering anzusehen sei und ein öffentliches Interesse an der Verfolgung nicht bestand. Der Führerschein des Beschuldigten wurde am 26. Juli 2019 an diesen herausgegeben.
Am 2. August 2019 beantragte der anwaltlich vertretene Beschuldigte, ihn für den durch die Strafverfolgung entstandenen Schaden in Form von Verdienstausfall im Zeitraum vom 22. Februar bis zum 26. Juli 2019 zu entschädigen.
Mit dem angegriffenen Beschluss vom 24. September 2019 hat das Amtsgericht Hamburg auf den Entschädigungsantrag den Rechtsweg vor die ordentliche Gerichtsbarkeit für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Hamburg verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es sich bei der Sicherstellung um eine schwerpunktmäßig präventive Maßnahme der Polizei gehandelt habe, deren Rechtmäßigkeit vom Verwaltungsgericht zu beurteilen sei.
Die Beschwerde des Beschuldigten ist statthaft und auch sonst zulässig, §§ 17a Abs. 2 und Abs. 4 Satz 1 und 3 GVG, 311, 306 Abs. 1 StPO.
1.
Es handelt sich bei dem Antrag des Beschuldigten um einen Antrag auf Entschädigung nach den Vorschriften des Gesetzes über Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG). Für diesen Antrag ist gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 StrEG der Rechtsweg vor das Amtsgericht Hamburg als Amtsgericht am Sitz der Staatsanwaltschaft eröffnet.
Gegen den Beschuldigten wurde ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Fahrens ohne Fahrerlaubnis geführt, welches aufgrund einer Ermessensvorschrift durch die Staatsanwaltschaft eingestellt wurde. Der Beschuldigte hat auf die Belehrung durch die Staatsanwaltschaft, dass „in dieser Sache (…) Gegenstände sichergestellt bzw. beschlagnahmt worden“ seien und daher der Beschuldigte auf Antrag möglicherweise für einen entstandenen Schaden nach dem StrEG entschädigt werden könne, einen „Antrag auf Entschädigung“ gestellt und diesen damit begründet, dass dem Beschuldigten durch die Strafverfolgung ein Schaden in Form von Verdienstausfall während der Zeit der Beschlagnahme des Führerscheins entstanden sei. Hieraus ergibt sich hinreichend deutlich, dass der Beschuldigte, trotz des allgemein als „Antrag auf Entschädigung“ bezeichneten Antrages, eine Entschädigung nach den Vorschriften des StrEG begehrt.
Hieran ändert die — nach Auffassung der Kammer zutreffende — Annahme des Amtsgerichts, dass es sich bei der Sicherstellung des Führerscheins des Beschuldigten um eine öffentlich-rechtliche Maßnahme handelte, gegen die der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht bzw. auf Sekundärebene vor die Zivilgerichte gegeben ist (vgl. MüKo-StPO, 1. Auflage 2018, Einleitung Rn. 61 und 62; BeckOK-OWiG, 24. Edition 2019, § 2 StrEG, Rn. 2; jeweils Beck-online), nichts. Dies ist jedoch, bezogen auf einen Antrag auf Entschädigung nach dem StrEG, ebenso wie die Frage, ob dem Beschuldigten vor dem Hintergrund des tatsächlichen Nichtvorliegens einer gültigen Fahrerlaubnis (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Auflage 2019, § 28 FeV, Rn. 48, 51; VG Neustadt, B. v. 19.04.17, 3 L 396/17.NW, BeckRS 2017, 108229, beck-online) überhaupt ein Schaden entstanden sein kann, eine Frage der Begründetheit.
2
Die Kammer sieht sich daran gehindert, die im weiteren Verfahren vom Amtsgericht zu treffende Billigkeitsentscheidung, vgl. § 3 StrEG, selbst zu treffen, da es sich um eine auf die Frage der Rechtswegseröffnung beschränkte sofortige Beschwerde nach § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG handelt.
3.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 467 StPO analog.