Keine Betreuung gegen den Willen des Betroffenen

Land­ge­richt Bie­le­feld

Aktenzeichen 23 T 517/17

Be­schluss vom 12.10.2017

In dem Be­treu­ungs­ver­fah­ren

für XXX

hat die 23. Zi­vil­kam­mer des Land­ge­richts Bie­le­feld auf die Be­schwer­de des Be­tei­lig­ten zu 1) vom 01.06.2017 ge­gen den Be­schluss des Amts­ge­richts Bie­le­feld (Az. 2 XVII 763/17 L) vom 17.05.2017 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Land­ge­richt XXX am 12.10.2017

be­schlos­sen:

Der an­ge­foch­te­ne Be­schluss wird auf­ge­ho­ben.

Grün­de:

Mit Schrei­ben vom 12.04.2017 reg­te das XXX die Ein­rich­tung ei­ner Be­treu­ung an. Das Amts­ge­richt hat zur Fra­ge, ob für den Be­trof­fe­nen ei­ne Be­treu­ung ein­zu­rich­ten ist, mit Be­schluss vom 04.05.2017 die Ein­ho­lung ei­nes Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens an­ge­ord­net. Der Sach­ver­stän­di­ge XXX (Fach­arzt für Psy­chia­trie und Psy­cho­the­ra­pie) in Bie­le­feld hat un­ter dem 16.06.2017 sein schrift­li­ches Gut­ach­ten er­stat­tet. Das Amts­ge­richt hat so­dann durch den an­ge­foch­te­nen Be­schluss im We­ge ei­ner einst­wei­li­gen An­ord­nung ei­ne vor­läuf­i­ge Be­treu­ung für den Be­trof­fe­nen mit den Auf­ga­ben­krei­sen „Ge­sund­heits­für­sor­ge, Auf­ent­haltsbestimmung, Woh­nungs-, Heim- und Ver­mö­gens­an­ge­le­gen­hei­ten so­wie Ver­tre­tung ge­gen­über Be­hör­den und Leis­tungs­trä­gern“ ein­ge­rich­tet und die Be­tei­lig­te zu 2) vor­läu­fig zur Be­treu­e­rin be­stellt. Fer­ner wur­de be­stimmt, dass die vor­läu­fi­ge Betreuerbestellung am 17.11.2017 en­det, wenn sie nicht vor­her ver­län­gert wird.

Ge­gen die­se Ent­schei­dung hat der Be­trof­fe­ne am 01.06.2017 Be­schwer­de ein­ge­legt. Das Amts­ge­richt hat den Be­trof­fe­nen am 09.08.2017 nach­träg­lich per­sön­lich an­ge­hört, der Be­schwer­de nicht ab­ge­hol­fen und die Sa­che dem Land­ge­richt zur Ent­scheid­ung vor­ge­legt.

Die Kam­mer hat den Be­trof­fe­nen im Be­schwer­de­ver­fah­ren am 05.09.2017 er­neut per­sön­lich an­ge­hört.

Die Be­schwer­de ist ge­mäß § 58 Abs. 1 FamFG statt­haft so­wie frist­ge­recht und form­ge­recht ein­ge­legt. Das Rechts­mit­tel ist auch be­grün­det, denn die Vo­raus­set­zun­gen für die Ein­rich­tung ei­ner vor­läu­fi­gen Be­treu­ung lie­gen nicht mehr vor.

Ge­mäß § 300 Abs. 1 Satz 1 FamFG kann das Ge­richt durch einst­wei­li­ge An­ord­nung ei­nen vor­läu­fi­gen Be­treu­er be­stel­len, wenn drin­gen­de Grün­de für die An­nah­me be­ste­hen, dass die Vo­raus­set­zun­gen für die Be­stel­lung ei­nes Be­treu­ers ge­ge­ben sind und ein drin­gen­des Be­dürf­nis für ein sofor­ti­ges Tä­tig wer­den be­steht. Letz­te­res ist nur der Fall, wenn das Ab­war­ten bis zur end­gül­ti­gen Ent­schei­dung für den Be­trof­fe­nen er­heb­li­che Nach­tei­le zur Fol­ge hät­te. Die­se Vo­raus­set­zun­gen sind hier nicht mehr ge­ge­ben.

Die ge­sund­heit­li­che Ver­fas­sung des Be­trof­fe­nen hat sich mitt­ler­wei­le sta­bi­li­siert. Die am­bu­lan­te und me­di­ka­men­tö­se Ver­sor­gung durch den Haus­arzt so­wie die häus­li­che Ver­sor­gung sind si­cher­ge­stellt. Nach Mit­tei­lung der Be­treu­e­rin ist in den an­ge­ord­ne­ten Auf­ga­ben­krei­sen der­zeit ein un­auf­schieb­ba­rer Re­ge­lungs­be­darf nicht ge­ge­ben. Die re­gel­mä­ßi­ge Ga­be und Kon­trol­le der von dem Be­trof­fe­nen be­nö­tig­ten Me­di­ka­men­te (bei be­ste­hen­der Herz- und Nie­ren­schwä­che so­wie Atems­tö­rung) durch ei­nen am­bu­lan­ten Pfle­ge­dienst ist bis­lang am Wi­der­stand des Be­trof­fe­nen ge­schei­tert. Die Be­treu­e­rin sieht der­zeit aber in­so­weit auch kei­nen Hand­lungs­be­darf. Die häus­li­che Ver­sor­gung ist nach den Ein­drü­cken bei der per­sön­li­chen An­hö­rung un­ein­ge­schränkt ge­währ­leis­tet. In den üb­ri­gen Auf­ga­ben­krei­sen hat sich nach Mit­tei­lung der Be­treu­e­rin bis­lang kein aku­ter Hand­lungs­be­darf er­ge­ben.

Ge­mäß § 1896 Abs. 1 BGB darf von Amts we­gen für ei­nen Voll­jäh­ri­gen ein Be­treu­er nur be­stellt wer­den, wenn er auf­grund ei­ner psy­chi­schen Krank­heit oder ei­ner geis­ti­gen oder see­li­schen Be­hin­de­rung sei­ne An­ge­le­gen­hei­ten ganz oder teil­wei­se nicht be­sor­gen kann. Er­folgt die Ein­rich­tung der Be­treu­ung – wie hier – ge­gen den Wil­len des Be­trof­fe­nen, so ist die zu­sätz­li­che Fest­stel­lung er­for­der­lich, dass die­ser auf­grund der fest­ges­tell­ten psy­chi­schen Krank­heit, geis­ti­gen oder see­li­schen Be­hin­de­rung sei­nen Wil­len nicht frei be­stim­men kann.

Ob die­se Vo­raus­set­zun­gen hier nach wie vor ge­ge­ben sind, er­scheint zwei­fel­haft. Nach dem fach­ärzt­li­chen Gut­ach­ten vom 16.06.2017 be­steht zwar der Ver­dacht ei­ner be­gin­nen­den De­men­zer­kran­kung. Bei der Ex­plo­ra­ti­on durch den Sach­ver­stän­di­gen be­stan­den deut­li­che Kon­zen­tra­tions- und Auf­fas­sungss­tö­run­gen so­wie Orien­tie­rungss­tö­run­gen im zeit­li­chen Be­reich. Das Kurz- und Lang­zeit­ge­dächt­nis war ge­stört. Mög­li­cher­wei­se war dies aber noch Fol­ge des im Ap­ril/Mai nach ei­ner schwe­ren kar­dia­len De­kom­pen­sa­tion auf­ge­tre­te­nen De­lirs. Bei der An­hö­rung durch die Kam­mer wa­ren da­ge­gen kei­ne Kon­zen­tra­tions- und Ge­dächt­niss­tö­run­gen oder sons­ti­ge Auf­fäl­lig­kei­ten fest­stell­bar. Der Zu­stand des Be­trof­fe­nen er­schien ins­ge­samt deut­lich ver­bes­sert und sta­bil. So­fern das Be­treu­ungs­prü­fungs­ver­fah­ren fort­ge­führt wird, müss­te da­her ei­ne wei­te­re Ab­klä­rung im Rah­men ei­ner Nach­be­gut­ach­tung er­fol­gen.

Ge­mäß § 1896  Abs. 2 BGB darf die Be­treu­ung fer­ner nur für sol­che Auf­ga­ben­krei­se an­ge­ord­net wer­den, in de­nen ein kon­kre­ter Be­treu­ungs­be­darf be­steht. Dies ist nach den Fest­stel­lun­gen im Be­schwer­de­ver­fah­ren ak­tu­ell al­len­falls im Be­reich der Ge­sund­heits­für­sor­ge er­sichtl­ich. Ge­ge­be­nen­falls be­darf es da­her auch in­so­weit noch wei­te­rer Er­mitt­lun­gen.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung:

Ge­gen die­se Ent­schei­dung ist kei­n wei­te­res Rechts­mit­tel mehr ge­ge­ben (§ 70 Abs. 4 FamFG).