Amtsgericht Prenzlau, Beschluss vom 27.07.2018, Az. 21 OWi 3422 Js-Owi 29660718 (721/18)
Laut dem Amtsgericht Prenzlau besteht seitens des Betroffenen eines Geschwindigkeitsvorwurfs ein Anspruch gegenüber der Bußgeldbehörde auf Übersendung des Beschilderungsplans an dessen Verteidiger
Beschluss
In der
Bußgeldsache
gegen
XXX
Verteidiger:
Rechtsanwalt Matthias Kiunka
wegen
Verkehrsordnungswidrigkeit
- Geschwindigkeitsüberschreitung
außerhalb geschlossener Ortschaften –
hat das
Amtsgericht Prenzlau durch den Richter am Amtsgericht XXX am 27.07.2018
beschlossen:
I. Der Zentraldienst der Polizei des Landes Brandenburg – Zentrale Bußgeldstelle Gransee – wird angewiesen, dem Verteidiger eine Kopie des für den Messtag 17.03.2018 gültigen Beschilderungsplans für die Messstelle auf der Bundesautobahn 11, km 87,4 in Fahrtrichtung Kreuz Uckermark durch Übersendung an die Kanzleianschrift zur Einsicht zur Verfügung zu stellen.
II. Die
Kosten des Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung und die notwendigen
Auslagen des Betroffenen insoweit hat die Landeskasse zu tragen.
Gründe
I.
Der zulässige
Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist begründet.
- Der
Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 Abs. 1 OWiG ist zulässig.
Bei der Versagung von Akteneinsicht im Zwischenverfahren handelt es
sich um eine Maßnahme der Verwaltungsbehörde, der eine selbstständige
Bedeutung zukommt und nicht nur der Vorbereitung einer das Bußgeldverfahren
abschließenden Entscheidung dient (Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz, - Aufl., § 62 Rn. 3). Die Akteneinsicht dient der Wahrnehmung der Rechte
durch den Betroffenen, nicht hingegen der Verfahrensfortführung durch
die Verwaltungsbehörde. Zwar kann gegen die Versagung der Akteneinsicht
gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 147 Abs. 5 S. 1 StPO nur dann gerichtliche Entscheidung
beantragt werden, wenn diese nach dem Vermerk der Verwaltungsbehörde
über den Abschluss der Ermittlungen in den Akten (§ 61 OWiG) erfolgte
oder die Verweigerung die Einsicht in Niederschriften über die Vernehmung
des Betroffenen und über solche Untersuchungshandlungen, bei denen
dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet worden ist oder hätte gestattet
werden müssen, sowie Gutachten von Sachverständigen betraf (Karlsruher
Kommentar – Kurz, Ordnungswidrigkeitengesetz, 3. Aufl., § 60 Rn. 103).
Doch ist vorliegend trotz des Fehlens eines aktenkundigen Vermerks nach §
61 OWiG der Antrag auf eine gerichtliche Entscheidung zulässig, da für
die Verwaltungsbehörde durch den Erlass des Bußgeldbescheides die Ermittlungen
in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht abgeschlossen waren (vgl.
Karlsruher Kommentar, ebd. § 61 Rn. 2) und die Rechte des Betroffenen
dann nicht dadurch eingeschränkt werden können, dass die Verwaltungsbehörde
den von ihr angenommenen Abschluss der Ermittlungen nicht auch formal
in der Akte vermerkte. - Der
Antrag ist begründet. Dem Betroffenen steht über seinen Verteidiger
gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 147 Abs. 1 StPO ein recht auf Einsicht in den für
den Messtag geltenden Beschilderungsplan der Messstelle durch Übersendung
einer Kopie an den Verteidiger zu.
a) Das
Recht auf Akteneinsicht bezieht sich auf die Akten des Bußgeldverfahrens.
Hierzu gehören sämtliche verfahrensbezogene Unterlagen der Verwaltungsbehörde,
die zu den Akten genommen worden sind, auf die der Vorwurf in tatsächlicher
und rechtlicher Hinsicht gestützt wird (Göhler, ebd., § 60 Rn. 49 m. w.
N.). Die betrifft alle seit Beginn der Ermittlungen wegen des Verdachts
einer Ordnungswidrigkeit gesammelten be- und entlastenden Schriftstücke
bzw. solcher Unterlagen u. ä., die gerade für das Verfahren geschaffen
worden sind oder dem Gericht vorzulegen wären (Meyer-Goßner, Strafprozessordnung,
- Aufl., § 147 Rn. 13 ff.m. w. N.). Auch beigezogene Akten anderer Behörden
sind von dem Einsichtsrecht erfasst. Aus dem Grundsatz der
Aktenvollständigkeit ergibt sich, dass Unterlagen (Schriftstücke sowie
Ton- und Bildaufnahmen), die für den Betroffenen als belastend oder entlastend
von Bedeutung sein können, den Akten nicht ferngehalten werden dürfen, da
dies eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bedeuten würde.
Nicht zu den Akten gehören dagegen Handakten und andere innerdienstliche
Vorgänge, die im Fall des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid der
Staatsanwaltschaft nicht vorzulegen wären (Göhler, a. a. O.).
b) Dem
Betroffenen steht entsprechend dieser Grundsätze ein Anspruch auf Einsicht
in den Beschilderungsplan durch seinen Verteidiger zu (vgl. AG Bad
Kissingen ZfSch 2006, 706). Auch wenn dieser bislang kein Bestandteil der
Akte ist, kann der Beschilderungsplan aus dem Grundsatz der Aktenvollständigkeit
nicht ferngehalten werden. Aus dem Beschilderungsplan können der Verteidiger
und der Betroffene entnehmen, welche zulässige Höchstgeschwindigkeit
durch die zuständige Behörde tatsächlich für den Messbereich angeordnet
war.
c) Aufgrund
der weiten räumlichen Entfernung des Kanzleisitzes des Verteidigers in
Minden zu dem Sitz der Zentrale Bußgeldstelle des Landes Brandenburg
in Gransee in Abwägung zu der geringeren Bedeutung der vorgeworfenen
Ordnungswidrigkeit besteht aus Verhältnismäßigkeitsgrundsätzen der
Anspruch, dass der Beschilderungsplan in Kopie zur Einsicht dem Verteidiger
übersandt wird.
III.
Die Kostenentscheidung
beruht auf §§ 62 Abs. 2 S. 2 OWiG, 467 Abs. 1 StPO.